Chronik 1901 – 1910

1901

1. April
Der Lehrer J. Peter Krämer wurde an der Volksschule provisorisch angestellt. Lehrer August Lange hatte sich zum 15.10.1900 versetzen lassen. Zwischenzeitlich erteilte der Breitenbendener Lehrer W. Küllenrath Halbtagsunterricht. 1)

4. September
Johann Winand aus Vussem erlangte die Erlaubnis, die von der Firma Eisengießerei Gebrüder Girards für den Gütertransport angeschaffte Straßendampflokomotive zu fahren. Die Prüfung legte er vor dem Oberingenieur des Dampfkessel-Revisionsvereines für den Regierungsbezirk Aachen ab. Im Prüfungszeugnis heißt es wie folgt:
„Johann Winand, gebürtig aus Mechernich, wurde heute einer Prüfung als Maschinist und Heizer unterworfen. Er bewies dabei die zu seinem Beruf notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse und kannte auch die Maßnahmen, welche notwendig sind, um die Wege zu schonen und Gefahren zu begegnen“ 8)

Johann Winand erhielt wohl als erster Vussemer einen Führerschein, der ihn zum Führen eines Fahrzeuges mit Selbstantrieb berechtigte.

Zu den ersten elf Teilnehmern des Ortstelefonnetzes Mechernich, umfassend die Orte Mechernich, Kommern, Roggendorf und Vussem, zählte auch die Firma Gebrüder Girards, Eisengießerei und Maschinenfabrik Neuhütte. Sie führte die Ruf-Nummer 2. 9)

1902

Januar
Die Gebrüder Girards richteten neben der von ihnen betriebenen Eisengießerei eine Maschinenfabrik ein. Darauf bot sich die Firma Eisengießerei und Maschinenfabrik Gebrüder Girards im Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden wie folgt an:
„Interessenten zur gefl. Nachricht, daß wir neben unserer bisher betriebenen Gießerei, in welcher bekanntlich Gußstücke nach Modell und Zeichnung bis zu 30000 kg Gewicht hergestellt werden, auch eine Maschinenfabrik eingerichtet haben. Wir sind dadurch in der Lage, gefräste Zahnräder und Gußstücke sowie geschmiedete und gegossene Maschinenteile bearbeitet zu liefern und alle Reparaturen von Maschinen und Maschinenteilen zu billigsten Preisen zu übernehmen.“

März
Wie alljährlich fand in der Schule zu Holzheim für sämtliche Entlassungs-schüler der Pfarrei die Entlassungsprüfung in Gegenwart des Lokalschulinspektors, des Pastors, statt. Aus Vussem erhielten vier Jungen und sieben Mädchen ihre Abschlusszeugnisse. 1)

5. August
Seine Königliche Hoheit, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, passierte auf einer Ferienreise durch die Eifel gegen 8:00 Uhr das Veytal. Von Satzvey herkommend, wo er einen Tag als Jagdgast bei dem Grafen Metternich weilte, durchfuhr er die Ortschaften Breitenbenden, Vussem und Eiserfey. In Weyer überraschte er gegen 8 1/2 Uhr den Lehrer W. Küpper und die Schulkinder mit seinem Besuch. Ungefähr eine Viertelstunde hörte er dem Unterricht zu und stellte selbst einige Fragen. Die fleißigsten Schüler belohnte er mit klingender Münze (Ein- und Zweimarkstücke). Hierauf verabschiedete sich der königliche Gast und setzte seinen Weg zu Pferde über die Orte Zingsheim, Nettersheim nach Schmidtheim fort. 1)

1903


Nach dem Weggang des Lehrers J. Peter Krämer blieb die Lehrerstelle für vier Monate unbesetzt. Die Schüler erhielten Halbtagsunterricht von Lehrer Johann Fröhlich aus Breitenbenden. 1)

16. August
Der Lehrer Matthias Spix wurde „einstweilig“ mit der Verwaltung der Schule in Vussem betraut. 1)

1904

In der Pfarrkirche zu Holzheim segnete der Pfarrer Jansen die neue Vereins- fahne des Männergesang-Vereines. Die Anschaffung der Fahne war für den Verein mit großen finanziellen Anstrengungen verbunden. Aus diesem Grunde bildete sich innerhalb des MGV eine Theatergruppe. „Der Heilige Donatus“, so hieß das Theaterstück, wurde an mehreren Orten erfolgreich aufgeführt. Da die Fahne dennoch nicht vollends bezahlt werden konnte, bürgte ein Vussemer für den Restbetrag. 10)

1. September
Der Lehrer Matthias Spix beendete seine Lehrertätigkeit an der hiesigen Volksschule. Von der königlichen Regierung erfolgte seine Versetzung nach Cofferen, Kreis Erkelenz. Als neuer Lehrer erhielt Michael Küpper eine provisorische Anstellung. 1)

Im Jahre 1904 bildete sich unter dem Bürgermeister aus Mechernich (Brünsing) eine Wasserwerkskommission aus den Gemeinderatsmitgliedern zur Trinkwasserversorgung von Vussem, Roggendorf Mechernich und Strempt
Artikel dazu:
Trinkwasserversorgung von Vussem, Roggendorf Mechernich und Strempt

1905

8. Januar
Der am 27. März 1881 gegründete Bürgerverein, dessen vornehmliche Aufgabe es war, ein Kapital zum Bau einer größeren Kapelle anzusammeln, wurde in St. Margarethen – Kapellenbauverein umbenannt. Bei dem königlichen Amtsgericht in Gemünd erfolgte unter No 5 die Eintragung in das Vereinsregister. 6)

1. Dezember
Nach der durchgeführten Volkszählung zählte Vussem 279 Einwohner. 11)

1906

15. November
Im Handelsregister Abteilung B unter Nummer 9 fand die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Girards & Mais zu Neuhütte bei Mechernich ihren Eintrag. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 11. November errichtet. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb und die Weiterführung der unter der bisherigen Firma Gebrüder Girards zu Neuhütte betriebenen Maschinenfabrik und Eisengießerei sowie alle damit verwandten Geschäfte. Neben den eingebrachten Sacheinlagen belief sich das Stammkapital auf 450.000 Mark.
Als Geschäftsführer fungierten Peter Girards und Josef Mais, Ingenieur aus Koblenz-Moselweiß. 7)

Die Verlegung des ersten Wasserleitungsnetzes (mit Einspeisung aus den Feybach-Quellen), sowie der Anschluss der örtlichen Haushaltungen konnte abgeschlossen werden. Somit ging für die Bevölkerung die Zeit der nicht immer hygienisch einwandfreien Wasserversorgung aus den Brunnen zu Ende. 1)

1907

April
Der Lehrer Anton Thoma, gebürtig aus Mechernich, erhielt an der örtlichen Volksschule eine provisorische Anstellung. Die Osterferien dauerten bis zum 8. April. Das Sommerhalbjahr begann am 9. April. 1)

August
Die Sommerferien dauerten vom 5. bis 17. August. Da während dieser Zeit kein Erntewetter war, wurden die Ferien um acht Tage verlängert. 1)

1908

1. April
Der Schulamtsbewerber Hubert Koch aus Büsbach, Kreis Aachen Land, ausgebildet im Lehrerseminar zu Cornelimünster, wurde einstweilig an die Lehrerstelle bei der hiesigen Volksschule berufen. Er war vorher an der Volksschule Medell, Kreis Malmedy, tätig. Der bisherige Lehrer Anton Thoma erhielt eine Anstellung in seinem Geburtsort Mechernich. 1)

1909

1. Januar
Während des Winters wurde in Vussem eine ländliche Fortbildungsschule mit vier Wochenstunden Unterricht eingerichtet. Die Gemeinde trug die Kosten für Licht und Heizung. 1)

Der Fabrikant Peter Girards bezog seine auf der Anhöhe hinter der Neuhütte errichteten Villa. 1)


25. November
Der Gemeinderat lehnte den Antrag von Einwohnern des Ortes Bergheim zur Bildung zweier selbständiger Gemeinden, nämlich Vussem und Bergheim, ab.

Dieser so eindeutig wie knapp formulierte Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Vussem-Bergheim ließ die Entscheidungsgründe ebenso wenig erkennen wie der Antrag der Bergheimer Einwohner Gründe für ihr Begehren. Dieser Beschluss hatte folgende Vorgeschichte:
Um die Jahreswende 1906/1907 regte sich in Bergheim der Wunsch nach kommunaler, nach gemeindlicher Eigen- und Selbständigkeit. Träger dieser „Separations“-Bewegung war der Ortsverband Bergheim des Rheinischen Bauernvereines.
In einem von 37 Bergheimer Bürgern unterzeichneten und an den Bürgermeister Brünsing in Mechernich gerichteten Brief wurde die Trennung unter folgenden Bedingungen beantragt:
a) Festsetzung der neuen Gemarkungsgrenze zwischen Vussem und Bergheim
gemäß dem jetzigen Besitzstande,
b) Überlassung der Gemeindegüter zu demjenigen Orte, nach dessen Seite hin
dieselben bei Feststellung der neuen Grenze fallen,
c) Teilung der Depositen bei der Sparkasse Schleiden,
d) gemeinschaftliche Amortisation respektive Teilung der Restbaukosten
des Verbindungsweges von Vussem nach Bergheim,
d) eine von dem Orte Vussem an den Ort Bergheim zu zahlende
Abfindungssumme von eintausend Mark,
e) gemeinschaftliche Tragung der Kosten dieses Verfahrens.

Der Gemeinderat beschloss die zur Trennung erforderlichen Schritte einzuleiten. Das vom Katasteramt ermittelte jährliche Steueraufkommen der angestrebten Einzelgemeinden belief sich

für Vussem auf: 235,54 Mark Grundsteuer,
154,10 Mark Gebäudesteuer,
insgesamt 389,64 Mark,

für Bergheim auf: 107,11 Mark Grundsteuer,
76,20 Mark Gebäudesteuer
insgesamt 183,31 Mark.

Angesichts der jährlich verfügbaren Finanzmasse wären wohl zwei Gemeinden nicht lebensfähig gewesen. Der Mechernicher Bürgermeister begründete die Ablehnung der Bildung von zwei Gemeinden damit, dass eine Trennung nicht im Interesse des Ortes Bergheim läge. 12)

1910

4. Dezember
Im Bestreben, die kirchlichen Verhältnisse in Vussem zu verbessern, gab der Vorsitzende des St. Magarethen-Kapellenbauvereins Adolf Hoffmann dem Generalvikariat in Köln*) einen Situationsbericht.
Er schrieb unter anderem folgendes:
„Wir nehmen Bezug auf unser ergebenes Gesuch betreffs Kirchenbau vom Jahre 1906 und Ihren gütigen Bescheid darauf vom 14. Febr. 1906 I. Nr.471. Inzwischen haben sich die Verhältnisse nicht geändert, nur ist der Neubau einer Kapelle äußerst dringlich geworden.
Die alte Kapelle ist in einem derartigen baulichen Zustande, daß sie keiner Reparatur mehr fähig, dem Einsturz nahe ist. Ganz abgesehen davon, daß dieser Zustand in Rücksicht auf das hl. Opfer ein ganz unwürdiger ist, ist die Kapelle für die heutige Einwohnerzahl viel zu klein, so daß bei der Feier der hl. Messe mindestens dreiviertel der Besucher vor der Kapelle im Freien bleiben müssen. Es ist ganz klar, daß diese Umstände nicht ohne Einfluß bleiben auf die öfteren Feier der hl. Messen. Während z.B. in dem Nachbarort Breitenbenden, der derselben Pfarrei Holzheim b/Mechernich angehört und eine geräumige Kapelle sein eigen nennt, zumeist wöchentlich einmal Gottesdienst stattfindet, wird bei uns nur monatlich einmal das hl. Opfer gefeiert. Es wäre gewiß zu beklagen, wenn die armen alten Leute, die 30 Jahre lang zum Bau einer neuen Kapelle ihr Scherflein beigetragen haben, nun jede Gelegenheit zum Anhören der hl. Messe genommen würde. Aus all diesen Gründen haben wir uns entschlossen, von dem erwähnten Kirchenneubau abzusehen und unsere ganze Kraft auf den Neubau einer geräumigen Kapelle zu verwenden. Hierzu steht zur Verfügung das Vereinsvermögen mit ca. 6000 M, das mittels Mitgliederbeiträge von monatlich 20 Pfg über einen Zeitraum von ca. 30 Jahren zusammengespart wurde. Eine Erhöhung der Beiträge ist unmöglich, da die Leute hier fast ausschließlich ganz arme Fabrik- und Bergarbeiter sind, denen in vielen Fällen der jetzige Beitrag schon zu hoch ist. Ein weiterer Umstand für die Armut der hiesigen Bevölkerung ist darin gegeben, daß von den 65 Haushaltungsvorständen des Ortes 17 Witwen und 11 Invaliden sind. Das vorhandene Vereinsvermögen reicht nicht einmal für die nackten Mauern eines würdigen Kapellenneubaues. Selbst wenn sie in allereinfachster Weise ausgeführt werden, werden sie wohl das doppelte oder noch mehr beanspruchen. Da niemand im Orte imstande ist, irgendwelche Bürgschaft für den fehlenden Betrag zu übernehmen, geht unsere Bitte an Sie, uns zu unterstützen, um zumindest einen Rohbau auszuführen. Wir hoffen keine Fehlbitte getan zu haben zumal unser Pfarrer der Hochwürdige Herr Pastor Gülden unsere Notlage bezeugt.“

Mit dem Antwortschreiben bewilligte das Generalvikariat für den Neubau einer Kapelle einen Betrag von 1000 Mark. 6)

*) Heute wäre das das Bistum Aachen!

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