Chronik 1911 – 1920

1911

September
Auf dem Truppenübungsplatz Friedrichsfeld bei Wesel brach die Ruhr aus. Deshalb bezogen die Infanterie Regimenter Nr.25 und 65 in hiesiger Gegend Standquartiere und hielten Manöver in der Umgegend von Dottel und Kallmuth ab. Ein Zug des Regimentes 25 bezog Quartier in Vussem. 1)

1912

An den Sonntagnachmittagen versammelten sich die jungen Burschen im Alter von 14 bis 20 Jahren auf dem Schulhof, um unter Aufsicht und Anleitung des Lehrers Turnübungen und Ballspiele vorzunehmen. Bei schlechtem Wetter sangen sie in der Schule Marschlieder. Schon im Sommer des Vorjahres trafen sich die jungen Leute der Pfarrei auf einer kleinen Waldwiese im Holzheimer Wald, um sich im Turnen und in Lauf-und Ballspielen zu üben. 1)


1913

Die Eisengießerei und Maschinenfabrik Peter Girards beschäftigte 78 Arbeiter und 5 Angestellte. Vor 20 Jahren waren dort nur 18 Arbeiter tätig. Der Gütertransport zum Bahnhof Mechernich geschah noch immer mit einer Straßendampflokomotive. 1)

1. Dezember
Die Vieh- und Obstbaumzählung brachte folgendes Ergebnis:
5 Pferde, 83 Rindviecher, 16 Schweine und 42 Ziegen

Die Gesamtzahl der Obstbäume belief sich auf 2339. Davon entfielen 317 auf die Gastwirtschaft „Zur Schneidmühle“, 421 auf die Villa Girards und 133 standen an der Landstraße. Von den 63 Anwesen, die durchweg von je einem Haushalt bewirtschaftet wurden, hatten 44 Anwesen Stallungen mit Vieh und 54 Häuser Gärten mit Obstbäumen. 1)

1914

In der Woche vom 26. Juli bis 2. August fand in unserer Pfarrkirche eine Mission statt. In der zweiten Hälfte der Woche, nachdem einige Soldaten aus dem Urlaub telegrafisch zu ihrem Truppenteil zurückberufen worden waren, gab es Gerüchte über eine teilweise Mobilmachung einzelner Truppenteile. Im Hause, auf der Straße, in der Wirtschaft, überall drehte sich das Gespräch um Krieg. Als am Freitagabend die Leute aus der Missionspredigt kamen, war über den Bereich des VIII. Armeekorps bereits der Kriegszustand verhängt. 1)

1. August
An diesem Samstag, einem heißen Sommertag, rückten zum Bahnschutz nach Jünkerath und Stadtkyll aus:

Peter Josef Gülden, Landwehrmann, Mühlengasse, Vater von acht Kindern, im Alter von zwei Wochen bis dreizehn Jahren;

Heinrich Schneider, Landwehrmann, Witwer ohne Kinder, wohnte bei seiner Schwägerin in der Ackergasse;

Heinrich Dorndorf, Betriebsleiter bei der Neuhütte, jung verheiratet, wohnte in der so genannten Villa an Margarethen;

Anton Boretzki, Former, wohnte bei der Familie Kaltwasser in der Ackergasse, stellte sich als Österreicher dem österreichischen Konsul in Köln. 1)

Am Abend gegen 19:00 Uhr erfolgte die Bekanntgabe der Mobilmachung. Sie wurde durch Adolf Hoffmann (Telegrafenhilfsstelle) mittels Anschlag am Tor der Wirtschaft Schneider, an der Schneidmühle und am Scheunentor von Wielspütz (Schmale) in der Mühlengasse bekanntgemacht. 1)

2. August
Bei Sturm und Regen rückten am ersten Mobilmachungstag aus:

Theodor Hermanns, Reservist, ältester Sohn des Josef Hermanns aus der Mühlengasse;

Josef Wielspütz, Bergarbeiter, wohnte am Busch, am Weg nach Holzheim, sieben Kinder im Alter von sieben Monaten bis zwölf Jahren;

Hermann Schmidt, Fuhrmann und Kutscher bei der Firma Girards, wohnte an der Neuhütte, vier Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren 1)

3. August
Es wurden weiter einberufen:
Josef Kaltwasser, Gießereiarbeiter, wohnte an dem Fußpfad nach Bergheim, drei Kinder von vier bis acht Jahren, die Ehefrau war schwanger;

Wilhelm Berners, Bergarbeiter, wohnte am Holzheimer Weg, zwei Kinder, alte Mutter lebte noch;

Johann Wielspütz, Bergarbeiter, wohnte in dem Eckhaus zwischen Dorfstraße und Ackergasse (Flosse), unverheiratet, alte Mutter lebte noch;

Johann Wielspütz, wohnte am Ende des Dorfes nach Eiserfey, links der Straße, Vater eines klei-nen Kindes;

Martin Wessel, Schwager des vorgenannten Johann Wielspütz (Flosse), jung verheiratet; Ehefrau war schwanger;

Josef Hein, wohnte bei seinen Eltern in dem sogenannten Kolvenbach-Haus;

Hubert Schmidt, verheiratet, Vater von drei kleinen Kindern, wohnte an der Dorfstraße, von der Ackergasse dorfaufwärts, erstes Haus;

Bernhard Klinkhammer, wohnte mit seiner Mutter, drei Brüdern und einer kleinen Schwester in dem Haus an dem Gäßchen, das zwischen der Wirtschaft Schneider und Golbach den Berg hinauf führt;

Peter Wielspütz, Junggeselle, wohnte bei seiner verheirateten Schwester, im ersten Haus der Mühlengasse rechts (Schmale); 1)


4. August
Mit lautem Jubel wurden die Militärtransporte am Bahnhof in Mechernich begrüßt und von der Bevölkerung mit Butterbroten, Kaffee, Limonade, Zigarren und sonstigen Gaben versorgt. Die Soldaten hatten alle Waggons mit Grünzeug geschmückt. Die Wagen trugen die verschiedenen Aufschriften: „Schnellzug nach Paris“- „Jeder Stoß ein Franzos“- „Jeder Schuß ein Russ“- „Jeder Tritt ein Britt“- „Bei Regenwetter findet das Gefecht im Saal statt“.
Es fand in der Kapelle die erste Kriegsandacht statt. Die Leute nahmen, dem Ernst der Zeit entsprechend, recht zahlreich teil. Sogar der Platz vor der Kapelle war besetzt. Der Vorbeter, Lehrer Hubert Koch, musste sich in die geöffnete Türe stellen.

7. August
Am Nachmittag durchfuhren etwa 200 Parkfuhrwerke, lauter einspännige Karren aus dem Kreis Bergheim, den Ort. Die Fuhrleute waren Ersatzreservisten unter Führung eines berittenen Offiziers.

Aus Vussem wurden vier Pferde für Parkzwecke von der Pferdeaushebungskomission in Kall angekauft,
von Karl Dillenburg Mühle 2 Pferde,
von Franz Schneider Landwirt 1 Pferd,
von Peter Girards Gießerei 1 Pferd.
Die Straßendampflokomotive der Firma Eisengießerei und Maschinenfabrik Peter Girards wurde für Heereszwecke nach Aachen verladen. 1)

10. August
In den Dörfern der Umgebung sind kriegsstarke Kompanien des Res.- Inf.Rgts. N0 73 (Hannover) einquartiert. Eine Kompanie bezog in Vussem Quartier. Auf jedes Haus entfielen durchschnittlich vier bis fünf Soldaten. Die Offiziere erhielten in der Villa zwischen Vussem und Eiserfey Quartier. Die Soldaten kamen abends gegen 20:00 Uhr an. Tags zuvor erreichten sie mit der Bahn Euskirchen. Dort fanden sie im Lehrerseminar Unterkunft.
Von Vussem aus marschierten die Soldaten nach Belgien, um sich die erforderliche Marschfähigkeit anzueignen. Der Kompanie folgten etwa sechs Maschinengewehre, die auf der Wiese gegenüber der Gastwirtschaft Schneider auffuhren. Die Soldaten führten keine Verpflegung mit, dennoch nahm die Bevölkerung sie auf das Herzlichste auf.

15. August
In den letzten Tagen passierten außerordentlich viele Militärtransporte den Bahnhof Mechernich, die den zivilen Personenverkehr sehr stark behinderten. Nicht weit von Kall entstand für Übungs-zwecke eine Fliegerstation. 1)

21. August
Als am Abend die Leute aus der Andacht im Kapellchen kamen, war die erste große Siegesbotschaft da; am Tor der Wirtschaft Schneider war sie mit Blaustift auf einem großen Zettel von Adolf Hoffmann angeschlagen worden:
„Unter Führung seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Bayern haben alle Deutschen Stämme gestern in Schlachten zwischen Metz und Vogesen einen Sieg erkämpft. Der mit starken Kräften in Lothringen vordringende Feind wurde auf der ganzen Linie unter schweren Verlusten zu-rückgeworfen. Viele Tausende von Gefangenen und zahlreiche Geschütze sind ihm abgenommen worden. Der Gesamtertrag läßt sich noch nicht übersehen, da das Schlachtfeld einen größeren Raum einnimmt, als die Kämpfe 1870/71 unsere gesamte Armee in Anspruch nahm. Unsere Truppen, beseelt von unaufhaltsamen Drang nach vorwärts, folgen dem Feind, setzen den Kampf heute fort.“ 1)

29. August
In den letzten Tagen fuhren viele Soldatenzüge von Trier in Richtung Köln. Die siegreichen Streiter des Westheeres sollten mithelfen, den russischen Vormarsch auf die Provinzen im Osten zu hemmen. Die Soldaten hatten sich schwarzweiße, französische, englische, belgische, sogar Turkomützen aufgesetzt. An den Wagen waren ausgestopfte französische Uniformen aufgehängt, oder man hatte sie auf die Bocksitze der Trainwagen gesetzt.
Die Kriegstelegramme kamen nun regelmäßig jeden Tag. Adolf Hoffmann nagelte die Depeschen an einen der Lindenbäume vor seinem Geschäft.

Bis Ende August wurden weiter einberufen:
Arnold Dauben, Bergarbeiter, wohnte in dem Bruchsteinhäuschen unterhalb des Kolvenbach-Haus, verheiratet, keine Kinder, erzog ein Kind seiner Schwägerin;

Heinrich Wielspütz, Former, wohnte in der Mühlengasse gegenüber der Schule, verheiratet, fünf Kinder, das Älteste war sechs Jahre, die Ehefrau war schwanger;

Johann Peter Winand, Schlosser, wohnte oberhalb der Gießerei, zweites Haus an der linken Seite des Baches, verheiratet, acht Kinder;

Wilhelm Bertram, Bergarbeiter, wohnte mit seiner Mutter, Bruder und Schwester in dem ersten Haus oberhalb der Kapelle, links am Harter Weg;

Karl Ellingen, Teilhaber der Gießerei, wohnte im alten Herrenhaus der Gießerei, verheiratet, ein Kind.

September
Die Mädchen strickten in den Handarbeitsstunden für die Soldaten Strümpfe und Pulswärmer. Das Garn dazu brachte eine Sammlung von Haus zu Haus. Die Sammlung ergab außer der Strickwolle sechs Paar fertige Strümpfe, sechs Hemden, sowie 25 Mark und 60 Pfennige.


27. September
Die Führung der Vussemer und Breitenbendener Jugendwehr, eine Vorbereitung auf den Militärdienst, übernahm der Lehrer Hubert Koch.

Es wurden weiter einberufen:
Johann Esser, Rekrut, wohnte mit seinen Eltern, Bruder und Schwester im ersten Haus oberhalb der Gießerei an der linken Seite des Baches;

Peter Linden, Rekrut, wohnte mit der Mutter (Witwe) und zwei Brüdern in der Dorfstraße im zweiten Haus unterhalb der Ackergasse;

Jakob Müller, Rekrut, wohnte bei Kriegsausbruch außerhalb, stammte aus der Familie Müller (Scheffes);

Peter Velser, Rekrut, wohnte in der Dorfstraße erstes Häuschen links oberhalb des Holzheimer Weges, Eltern lebten noch, Vater war Invalide, hatte noch drei Brüder und vier Schwestern.

November
Die Jugendwehr setzte ihre Übungen fort. Bei dem letzten Treffen übten sie den Sturm auf die Karlsburg.

1. Dezember
Die Vieh- und Vorratszählung ergab für Vussem:
1 Pferd, 85 Stück Rindvieh, darunter 14 Zugochsen und 43 Kühe, 38 Schweine, 50 Ziegen
und
4500 kg Weizen, 3700 kg Mischfutter, 3700 kg Roggen, 10700 kg Hafer. 1)

1915

Die Heeresleitung zog auch die Firma Girards Eisengießerei & Maschinenfabrik Neuhütte für Heereslieferungen heran. Hierauf erhielten einige Vussemer, die bei der Firma beschäftigt waren, für längere Zeit eine Freistellung vom Kriegsdienst.

Auch in Vussem machte sich die Verteuerung von Lebensmittel und Petroleum bemerkbar.

Februar
Es wurden weiter einberufen:
Johann Wielspütz, Ersatzreservist, wohnte Harterweg im letzten großen Haus, Mutter tot, Vater Kriegsinvalide von 1870;

Benedikt Hein, Ersatzreservist, wohnte bei seinen Eltern im sogenannten Kolvenbach-Haus.

Kriegstelegramme berichteten von weiteren großen Siegen. Bei den Kämpfen in Masuren (Ostpreußen) errang die Armee unter Generalfeldmarschall von Hindenburg große Siege.

Die Junggesellen stifteten für die im Krieg weilenden Vussemer Soldaten das ihnen übergebene „Hillichsgeld“ in Höhe von 8 Mark.
Über die Hillich, Hillig, mit ihren Einzelheiten gibt das Buch von Adam Wrede, Eifeler Volkskunde, 3. Auflage, Bonn 1960, reichhaltige Auskunft. Inwieweit das dort Geschriebene für Vussem zutraf, ist unbekannt.
In Vussem gab es die Hillig bis etwa zum Jahr 1965. Heiratete ein Mädchen aus dem Ort, dann musste der Bräutigam die Braut loskaufen, indem er den Junggesellen einen Geldbetrag für einen Bierumtrunk gab. Häufig knallten hierbei auch Gewehre und Böller. Gab der Bräutigam kein Hilligsgeld, dann brachten die Junggesellen am Haus der Braut einen Dornenast an. Weiterhin musste das Brautpaar damit rechnen, den Weg zur Kirche mit Kaaf bestreut zu finden. Der Polterabend löste die Hillig ab.

Anstelle von Turnübungen machte die Landjugend am liebsten militärische Übungen. Bei jedem Wetter zog sie hinaus. Ein Schüler der Oberstufe schrieb nachstehenden Aufsatz:

„Ein soldatischer Streifzug durch den Wald

Vor einiger Zeit kamen wir an einem Nachmittag um 3 Uhr aus der Schule. Da hieß es, der Herr Lehrer von Eiserfey sei mit seinen Turnjungen hinter der Mühle im Walde. Da ließ unser Herr Lehrer uns antreten. Zwei Knaben hatten Stäbe (als Gewehrersatz) und teilten sie unter uns aus. Dann ging es im Laufschritt über die Wiese an die Mühle. Am Waldrande ließ der Leutnant uns ausschwärmen nach rechts und links. Dann gab der Herr Lehrer ein Zeichen, und wir schlichen uns leise voran. Dann knieten wir. Unser Leutnant schlich selber vor. Es war vom Feinde nichts zu sehen. Dann ging es schnell über die Lichtung an der anderen Seite wieder in das Gehölz. Dort legten wir uns hin. Dann schickte unser Leutnant drei Patrouillen aus, eine nach rechts, eine nach links und eine nach vorn. Die nach rechts hatte nichts gesehen. Die nach links glaubte, sie habe Feinde gesehen. Die nach vorn glaubte, sie habe auf einer Anhöhe einen feindlichen Offizier gesehen. In zehn Minuten mußten sie sich wieder melden. Dann stellten wir uns wieder auf zur Gruppenkolonne. Dann ging es mit Gesang durch das Dorf in die Schule zurück. Wir sangen das Lied von der dicken Bertha.“

Außer der Lebensmittelteuerung merkte man vom Krieg sehr wenig. Dennoch machte sich die Sehnsucht nach dem Frieden bemerkbar. Aus den Nachbarorten war schon manch junger Mann gefallen. Die aus Vussem Einberufenen hatten bislang Glück, denn nur einer geriet in Gefangenschaft. Ein weiterer war leicht verwundet. Gefallene waren bislang nicht zu beklagen. In den Feldbriefen der Soldaten, in denen oftmals eine Blume steckte, wurde der Wunsch auf Heimkehr deutlich.1)

1. März
Die Bevölkerung erhielt von jetzt an ihre Brotrationen nach einem vom Bürgermeisteramt ausgestellten Brotbuch in den vorgeschriebenen Mischungen oder eine entsprechend geringere Menge Mehl für jede Woche zugeteilt. Für viele reichte diese Brotmenge nicht aus.

11. März
Es ging der ungediente Landsturm (bis 45 Jahre) nach Schleiden zur Musterung.

März
Es wurden weiter einberufen:

Wilhelm Velser, Ersatzreservist, wohnte in der Dorfstraße erstes Häuschen links, oberhalb des Holzheimer Weges, Schlosser auf der Neuhütte, Bruder von Peter Velser;

Peter Klinkhammer, Ersatzreservist, Bruder von Bernhard Klinkhammer.

April
Auch in diesem Monat übte, mit Ausnahme der Ferien, die Jugendwehr regelmäßig. So zum Beispiel am 18. April, vormittags 10 Uhr: Sammeln an der Brücke unterhalb der Schneidmühle; Exerzieren auf der Straße; Marsch durch Breitenbenden; Sturmangriff vom Tiefenbach aus, links der Straße, in Höhe des Kalkofens.

Das Geschäft Hoffmann erhielt 1000 Pfund holländisches Weizenmehl, das ohne Brotkarte für 32 Pfennige pro Pfund verkauft wurde. In wenigen Stunden war alles ausverkauft.

Mai
Es wurden weiter einberufen:

Heinrich Linden, Ersatzreservist, wohnte bei seiner Mutter, Bruder von Peter Linden;

Josef Linden, Ersatzreservist, wohnte in Eiserfey, Kriegstrauung mit Elisabet Gülden aus der Ackergasse;

Heinrich Hein, Rekrut, Bruder von Josef und Benedikt Hein.

Wie gewohnt war auch in diesem Monat regelmäßig Kriegsandacht in der Kapelle. Auch die im Urlaub weilenden Soldaten nahmen daran teil. 1)


24. Juni
Im Alter von 39 Jahren verstarb der Vussemer Mahlmüller Karl Dillenburg. Der Verstorbene war in Vussem geboren und mit Maria Josefa, geborene Rutt, verheiratet. Er übernahm die Mühle von seinem Vater, Nikolaus Dillenburg, der 1893 verstarb.
Karl Dillenburg hinterließ seine Ehefrau und vier kleine Kinder. 3)

13. Juli
Die Vussemer feierten wie gewohnt das Fest ihrer Kapellen-Patronin, der Heiligen Margarethe.
Lehrer Hubert Koch schrieb in die Schulchronik folgendes nieder:
„An diesem Tage fällt der Unterricht aus, die Fabrikarbeiter haben meistens wenigstens bis Mittag frei. An dem Tage vorher zieren die Mädchen des Dorfes das Kapellchen, daß man es kaum wiedererkennen konnte. Um 8:30 Uhr ist an dem Tage ein feierliches Hochamt mit Predigt. Weil die Leute dann zum größten Teil draußen stehen, stellt sich der Herr Pastor bei der Predigt in die Tür. In den früheren Jahren waren an dem Tage oft sogar zwei heilige Messen, dann bestellten sich die Vussemer den Rektor von Eiserfey, um ihnen auch die Frühmesse zu lesen. An das Hochamt schließt sich eine Prozession auf Eiserfey zu, dann dem Bergheimer Wege nach bis zum Margarethenhäuschen (an Margarethen) und dann den Feldweg (Harterweg) wieder hinab zu der Kapelle. Vor dem Krieg spielten in der Prozession eine Anzahl Vussemer Musikanten. In früheren Jahren war nachmittags eine Andacht zum Troste der Abgestorbenen. In diesem Jahr fiel diese Andacht aus und man betete am Abend die gewohnte Kriegsandacht. Das Fest wird so von alters her gefeiert. Viele Leute arbeiten an diesem Tage nicht, auch nicht auf dem Felde, wenn nicht dringende Arbeiten, besonders im Heu, vorliegen. Die meisten Vussemer, besonders junge Mädchen, die sich draußen (Köln) eine Stelle gesucht haben, nehmen für diesen Tag Urlaub und kommen auf das Margarethenfest. Der Volksmund sagt hierzulande: „Wenn es am Margarethenfest regnet, faulen die Nüsse“. Es soll an dieser Stelle noch bemerkt werden, daß das Altärchen in der Kapelle aus der alten Pfarrkirche in Kallmuth stammt.“1)

Oktober
Die Viehzählung ergab für Vussem:
Pferde: keine,
Rindvieh: 103, darunter 47 Kühe, 17 Zugochsen, 1 Stier,
Schweine: 45,
Ziegen: 50,
Hühner: 322,
Enten: 1
In den Herbstferien sammelten die Kinder 55 Pfund Eicheln. Die Kinder erhielten für das Pfund fünf Pfennig, der Lehrer gab für denselben Preis die Eicheln als Schweinefutter wieder ab.


16. November
Der Lehrer hatte die unangenehme Aufgabe, die Menge der Getreidevorräte zu ermitteln. 1)

Es wurden weiter einberufen:

Wilhelm Disternich, wohnte in dem Hause seines Onkels am Busch, die Mutter war Witwe, er hatte eine ältere Schwester und zwei jüngere Brüder;

Anton Lux, wohnte in Breitenbenden, ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Das Elternhaus war das dritte Haus oberhalb der Wirtschaft Schneider, dort wohnten auch Vater, Mutter, Bruder und Schwester.1)

Dezember
Weihnachten und an den folgenden Sonn- und Feiertagen hielten Fräulein Ursula Rutt und Fräulein Anna Schnichels im Auftrag des Lehrers die fünfte Sammlung für Liebesgaben ab, die den Vussemer Kriegern zu Gute kommen sollten. Die Sammlung ergab für hiesige Verhältnisse die unerwartet hohe Summe von 63,60 Mark.1)

1916


23. Januar
Wilhelm Wielspütz, einer der letzten Vussemer Veteranen aus den Feldzügen Wilhelm I, wurde auf dem Friedhof in Holzheim beerdigt.
Lehrer Hubert Koch schrieb bezüglich des Verstorbenen folgendes in die Schulchronik:

„Wilhelm Wielspütz, geboren im Jahre 1844. Elterliches Haus an „Schmale“ erstes Haus rechts in der Mühlengasse. W. Wielspütz diente 1866 beim Garde-Regiment-Königin Augusta in Coblenz. Bei diesem Regiment machte er den Feldzug mit und erhielt auch die Denkmünze für Königgrätz. Bei Ausbruch des Krieges 1870 mußte Wilhelm Wielspütz sich sofort stellen und wurde der 3.Comp. 2.Battl. 1.Rhein.Landwehr-Rgts. No. 25 eingereiht. Er hat oft erzählt, wie er von seiner Braut und späteren Gattin, Anna Maria Evertz in Lorbach auf dem Kleefeld, Abschied nahm und wie ihn der alte Benoit in Vussem seine ganze Barschaft von 7 1/2 Groschen als Zehrpfennig mit auf die Reise gab. W. Wielspütz, sein Vater, war damals schon tot. Er wohnte bei seiner Mutter und 3 Geschwistern in dem oben beschriebenen Hause, er war der zweitälteste. Bei Grawelotte am 18. August wurde W. W. schwer verwundet. Er erhielt einen Schuß in den linken Arm, ging aber mit weiter vor, bis er auch am linken Bein und in der rechten Seite verwundet war. Auf dem Schlachtfeld liegend, traf dann eine Kugel seine rechte Hand und zerschmetterte ihm drei Finger vollständig. Er kam in ein Feldlazarett und dort war er noch einer der Glücklichsten. Dann kam er in Lazarettbehandlung nach Neustadt a.d.Hardt, wie er sagte, zum dortigen Landrat. Später fand er liebevolle Pflege in Euskirchen in der Villa des Herren Ruhr am Bahnhof. Wielspütz besaß die aus erbeuteter Kanonen-Bronze gestiftete Kriegsdenkmünze für Combattanten, sie wurde ihm nebst Urkunde am 1. Oktober 1871 vom Bezirkskommandeur in Eupen überreicht. W. Wielspütz bezog bis zu seinem Tode eine hohe Kriegsinvaliden Rente. Er wohnte mit Familie auf dem Harterweg rechts das oberste große Haus. Er starb als letzter Veteran des Dorfes.“

März
Die Schlacht bei Verdun tobte weiter. Sehr oft war der Kanonendonner von der Westfront zu hören. Am 9. März meldeten die Zeitungen die Eroberung des Forts Vaux. Es dauerte aber nicht lange und schon hatten die Franzosen es wieder zurückerobert.


14. März
Es wurde weiter einberufen:

Franz Klinkhammer, war zur Zeit Knecht auf Heistartburg, (in Holzheim), jüngster Bruder des Bernhard Klinkhammer;


28. März
In Holzheim fand für die Schulen die Entlassungsprüfung statt. Auch Bürgermeister Dohr aus Mechernich und das Schulvorstandsmitglied Adolf Hoffmann aus Vussem, wohnten der Prüfung bei. Aus Vussem wurden elf Kinder entlassen. Zu Beginn des neuen Schuljahres kamen zehn Neulinge in die Schule.

Es wurde trotz der verminderten Arbeitskräfte außerordentlich viel Lohe geschält. Die Besitzer erhalten für den Zentner 13 Mark, während er vor dem Kriege nur 3 Mark eintrug. Vor dem Krieg bestand der Schällohn meistens in Holz; jetzt erhielten die Schäler außerdem noch 5 Mark pro Zentner Lohe.


9. Juli
Zur Erflehung einer gedeihlichen Witterung ging wie gewohnt die Prozession von Holzheim nach Münstereifel zum Heiligen Donatus.


1. August
Es wurden weiter einberufen:

Johann Linden, jüngster Bruder von Peter und Heinrich Linden;

Josef Esser, Bruder von Johann Esser.

September
Bezüglich der allgemeinen Versorgung schrieb der Lehrer Hubert Koch folgendes nieder:
„Die Getreideernte ist in diesem Jahr bedeutend besser wie im vorigem Jahre. Sie ist den Verhältnissen entsprechend „gut“ zu nennen. (Mangel an Kunstdünger und Arbeitskraft).Die Obsternte läßt zu wünschen übrig. Nur die Pflaumen sind sehr gut geraten. Die Bauern sind mit dem Preise von 10 Mark für den Zentner gern zufrieden; in den Städten wird aber das Pfund für 25 Pfennig verkauft. Warum dieser große Unterschied? Die Händler kommen von weit her, sie versuchen, auf die verschiedenste Weise den Höchstpreis zu überschreiten. Viele Städter holen sich trotz Ausfuhrverbot die Pflaumen selbst und schleppen sie in großen Körben mit . Die Städter sind Schuld, daß die Bauern allmählich für Eier, Butter, Speck unerhörte Preise fordern: sie bieten solange, bis sie die Ware erhalten und dann wird in der Stadt über die unverschämten Bauern geschimpft. Jeden Tag begegnen einem solche Stadtleute mit Paketen, Rucksäcken etc; das Volk sagt: Sie gehen „kötten“. Für Eier mußte ich 32, 34, 36 Pfennige bezahlen, da habe ich verzichtet, es wurden aber schon 40 Pfennige bezahlt. Für ein Pfund Butter bezahlen die Städter 5 – 6 Mark, für ein Pfund Speck 6 – 7 Mark und den Preis für Schinken möchte ich gar nicht nennen. Wenn die Vorräte durch die hohen Preise größer würden, dann hätten wir bald keinen Mangel mehr.“

Für die Marmeladenherstellung (als Butterersatz) sammelten mehr Leute als sonst Brombeeren. Da man aus Weißdornfrüchten Kaffee-Ersatz brannte, pflückten die Schulkinder diese Früchte, besonders am Wege nach Bergheim.

Es wurden weiter einberufen:

Hubert Kuck, wohnte in dem Haus am Wege zur Villa, der Vater war Meister in der Gießerei, ältester Sohn, noch zwei ältere Schwestern und fünf jüngere Geschwister;

Albert Hein, jüngster Bruder von Josef, Benedikt und Heinrich Hein;

Wilhelm Müller, wohnte bei seinem Onkel in dem ersten Haus links in der Mühlengasse;

Wilhelm Nauenheim, wohnte mit seiner Familie in Pesch, seine Frau und die Kinder zogen nach Vussem zu den Eltern und Großeltern Peter Hein;

Michael Kaltwasser, Bruder der in der Ackergasse erstes Haus links wohnenden Geschwister Kaltwasser, wohnte bei seiner Schwester in Köln, unverheiratet;


17. September
Das Fest des Kirchenpatrons, des Heiligen Lambertus (Kirmes), wurde nicht wie sonst mit den üblichen Vergnügungen gefeiert. Wie schon in den beiden Vorjahren fielen diese Veranstaltungen wegen des Ernstes der Zeit aus. 1)

Oktober
Die Schulkinder sammelten insgesamt 42 Pfund Pflaumenkerne für die Ölgewinnung.

1917

14. Januar
Schnee und grimmige Kälte -21 Grad. Diese Kälte dauerte auch am Schluss des Monates noch an. Unsere armen Soldaten, so hörte man überall sagen. Die Wasserräder des Schmiedehammers froren vollständig ein, auch die Wasserleitung einfroren an vielen Stellen im Boden ein.
Seit dem Abtransport der Straßendampflokomotive musste sich die Firma Girards Neuhütte für ihren Gütertransport mit Ochsen- und Pferdefuhrwerken behelfen.

Januar
Bislang wurden aus Vussem 42 Männer eingezogen.
Hiervon befanden sich im Felde:
Karl Ellingen, Leutnant der Artillerie, Familie in Aachen

Peter Linden, bei der Marine-Artillerie in Flandern

Johann Wielspütz, vom Hartenweg, Krankenträger an der Westfront

Heinrich Linden, als Bursche bei einem Stab in Warschau

Wilhelm Disternich, Inf.- Rgt. 68 im Osten

Franz Klinkhammer, bei einem Fuß – Artl. – Batl. in Mazedonien

Johann Linden, Inf. – Rgt. 29 im Osten

Josef Esser, Inf. – Rgt. 29 im Osten

Wilhelm Müller, Krankenträger an der Westfront

Jakob Müller, bei der Marine-Artillerie in Flandern

Wilhelm Nauenheim, bei der Artillerie in Rumänien

in der Garnison:
Anton Boretzki, in Albertfalva bei Budapest

Josef Linden, in Cleve bei einem Ers. – Batl.
Heinrich Hein, bei einer Garnison in Köln

im Lazarett:
Theodor Hermanns, bei Magdeburg

Kriegsinvaliden:

Josef Kaltwasser, (Nerven)

Wilhelm Berners, (zwei Finger von der linken Hand abgeschossen)

Peter Wielspütz, (Knieschuß)

Peter Klinkhammer, (Beinschüsse)

es galten als vermißt:

Martin Wessel, seit Juni 1915

Benedikt Hein, seit Oktober 1916

in Gefangenschaft gerieten:

Bernhard Klinkhammer, in französischer Gefangenschaft

Peter Velser, in französischer Gefangenschaft (Cherbourg)

Anton Lux, in französischer Gefangenschaft

Michael Kaltwasser, in russischer Gefangenschaft
(auf einem Bauerngut in Mittelrußland im Gouvernement Kursk)

vom Bergwerk und Eisengießerei und Maschinenfabrik Girards Neuhütte reklamiert:

Peter Josef Gülden, von Firma Girards Neuhütte,

Hermann Schmidt, von Firma Girards Neuhütte,

Johann Wielspütz, von Firma Girards Neuhütte,

Heinrich Wielspütz, von Firma Girards Neuhütte,

Johann Esser, von Firma Girards Neuhütte,

Albert Hein, von Firma Girards Neuhütte,

Hubert Kuck, von Firma Girards Neuhütte,

Wilhelm Velser, von Firma Girards Neuhütte,

Johann Winand, von Firma Girards Neuhütte,

Heinrich Schneider, vom Bergwerk,

Josef Hein, von einer Fabrik in Köln,

Josef Wielspütz, vom Bergwerk,
(vom Busch)

Johann Wielspütz, vom Bergwerk,
(Flosse)

Wilhelm Bertram, vom Bergwerk,

Arnold Dauben, vom Bergwerk,

Hubert Schmidt, vom Bergwerk,

Heinrich Dorndorf, nicht mehr in Vussem ansässig. 13)

Februar
Auf Anordnung des Bürgermeisteramtes in Mechernich blieb die Schule zum Zwecke der Kohlenersparnis für zehn Tage geschlossen. 13)

1. März
Franz Klinkhammer, Kanonier beim Fuß – Artl.- Batl. 65 in Mazedonien, schrieb nachstehenden Brief nach Hause:

„Meine Lieben!

Der heutige große Schneefall, welcher allein schon 0,50 m hoch schon gefallen ist und wir vor langer Weile nicht wissen, was wir machen sollen, will ich Euch mal einen Tag aus dem fernen Südosten etwas näher beschreiben. Wir liegen hier etwa 4 km vor den wichtigen Höhen, wo jetzt letzte Tage die schweren Kämpfe stattfanden, welches Ihr auch in der Zeitung hoffentlich gelesen habt. Es war besonders die Höhe 1050, wo wir den Italienern ein wichtiges Grabenstück entzogen; es waren dabei die tapferen 8.Jäger, wo auch der Dreesen von Harzheim bei war. Der Feind hielt sich dann sehr ruhig. Nachher, aber am 27. 2. versuchte er mit allen Kräften ihn wieder zu kriegen, aber am Morgen des 28. wurde er wieder sehr blutig heraus geworfen, was Ihr auch in der Zeitung noch lesen werdet. Nun kommt der 1. März heran, ein Tag wo noch nicht mal ein Infantrieschuß fällt, wir nochmal den ganzen Tag in unseren Zelten liegen. Es ist nämlich heute so ruhig, als wäre kein Mensch mehr hier in den stillen Bergen. Nun meine Lieben, will ich Euch mal unseren Aufenthalt hier etwas beschreiben. Die Geschütze auf einer Wiese, vor einem kleinen Hügel aufgefahren, wo auch nebenan unsere Wohnungen sind, nicht vielleicht ein schönes Haus, wie es in Frankreich schon mal vorkam, nein, ein kleines Zelt, eine Zeltplan welche wir über einige Stangen überzogen haben, und dieses bildet unsere Wohnung, welche im ganzen 4 m lang, 2 m breit und 1 1/2 m hoch ist. Aber trotzdem doch häuslich eingerichtet. In der Mitte steht unser Ofen, aus Steinen zusammen gebaut, an beiden Seiten ist unser Lager, nicht ein Bett wie zu Hause, nein auf blanker Erde, als Unterlage etwas Holzwolle und dann zwei Decken, dies ist unser Bett. Im übrigen haben wir Bratpfannen und dergleichen, aber nichts für drin. Die Beköstigung ist zwar gut hier, denn es gibt viel Bohnen, aber wenig Brot. Fleisch haben wir genug, denn hier war immer große Viehzucht. Nur das Holz ist hier sehr knapp, denn es gibt viele Stunden weit kein Wald, Baum noch Strauch mehr, hier gibt’s nur Berge und große Felsen. Dörfer und Städte sind aber gut zu zählen, denn dieser sind hier nicht viele, und was für welche, zerschossen und dergleichen, die alten Lehmbuden, denn hier ist schon seit 1912 Krieg. Da könnt Ihr Euch denken, wie die Gegend hier aussieht. Jetzt nun meine Lieben, habe ich eine Bitte, denn durch die Langeweile wird mir das Rauchmaterial langsam alle, denn das ist unser Zeitvertreib. Drum wären einige Zigaretten wieder sehr willkommen. Nun meine Lieben daheim, muß ich mein Schreiben für heute schließen, denn meine Kameraden der Winand und dergleichen, laden mich soeben zu einem Kartenspiel ein, nur das Dröpchen fehlt. Seid darum bis dahin vielmals herzlich gegrüßt von Eurem dankbaren Sohn und Bruder, Franz“

Franz Klinkhammer schickte in einem Feldpost – Karton eine Schildkröte nach Hause. Das Tierchen kam lebend hier an und der Lehrer zeigte es den erstaunten Kindern in der Schule. 13)

Gesamtansicht der Eisengießerei und Maschinenfabrik Neuhütte mit der 1909 fertiggestellten Villa.
In dem Fachwerkgebäude (ganz links) wurde 1918 die Notkirche eingerichtet


19. März
In Mechernich wurden auf einer Versammlung Ortsausschüsse gebildet, die vor allem die restlose Bebauung aller Kulturflächen fördern sollten. Zum Vorsitzenden wählte die Versammlung den Beigeordneten Becker. Stellvertretender Vorsitzender für Vussem wurde Lehrer Hubert Koch. Zu Beisitzern für Vussem wurden Gemeindevorsteher Peter Girards, Franz Schneider, Josef Hermanns, Johann Rutt und Gustav Wulschner gewählt. 13)

Ansicht der Gebäude der untergegangenen Eisenverarbeitungsstätte „Schneidmühle“.
Das eingeblendete Foto zeigt die Gaststätte „Zur Schneidmühle“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite

März
Es wurden weiter einberufen:

Peter Rutt, unverheiratet, wohnte mit Mutter, Onkel, Großmutter und Schwester in dem Häuschen das rechts von der Straße am Anfang des Harterweges etwas zurück liegt 13)

Vussemer Soldaten des Jahrgangs 1897 während der Militärzeit im 1. Weltkrieg.
von links: Wilhelm Müller, Albert Hein, Hubert Kuck, unbekannt


21. April
Josef Esser, bei dem Inf. – Rgt. No 29 in Rußland, schrieb nachstehenden Brief an seine Eltern:

„Liebe Eltern!

Dankend und in großer Freude habe ich heute abend Eure lieben Paketchen erhalten. Ich war sehr froh, als ich sie bekam, denn sie haben uns schon wieder Brot abgezogen. Für zwei Tage 2/3. Es ist aber nicht schlimm, ich komme schon aus. Wie es heißt, erhalten wir bald den Frieden hier in Rußland, denn wir haben hier in der Stellung eine intime Freundschaft geschlossen; denn sie haben uns jetzt nach drei Tagen einen Besuch abgestattet. Zuerst stellten sie eine weiße Fahne auf den Graben. Nach und nach kommt dann ein oder zwei Russen aus dem Drahtverhau kucken. Das kann man schön mit dem Glas beobachten. Dann muß der Posten das melden. Dann kommen einige von uns, die auch mit der weißen Fahne vorgehen. Dann kommen die Russen immer näher und näher und unsere Leute gehen auch vor. Bis auf einmal sind sie von beiden Seiten zusammen. Es ist ganz schön anzusehen, wie Feinde – Freunde werden, und sich die Hand reichen und einen Schnaps trinken. Die Russen bringen jedes mal Brot mit. Dafür bekommen sie Schnaps. Das Schauspiel ist wirklich herrlich anzusehen, wenn der Feind grad zusammen steht. Dann ist aber auch alles aus der Deckung, sowohl die Russen und auch wir, es ist wirklich zum Lachen. Wenn sie nun fertig alles besprochen haben, gehen die Russen wieder zurück, und unsere kommen auch. So geht der Krieg bei uns zu, es darf nicht mehr geschossen werden. Darum liebe Eltern, macht Euch keine Gedanken, es gibt bald Frieden. Dann will ich aber schwer hoffen, daß der alte 29er (Vater) aber auch zu finden ist, wenn die jetzigen 29er am schwarzen Tor herein marschieren. Und Mutter wird dann auch nicht weit abhanden sein. So muß ich schließen. Bin Gott sei Dank noch gesund und munter, was ich auch von Euch hoffe. Seid nun für heute recht vielmals herzlich gegrüßt von Eurem Sohn und Bruder Josef. Bis auf ein baldiges Wiedersehen in der lieben Heimat. Viele Grüße an lieb Mutter und klein Mariechen. Hoffentlich geht noch alles sehr gut zu Haus. Gott mit uns!“ 13)

In den Orten nahmen die Diebstähle erschreckend zu. Jedes Dorf wurde heimgesucht. Die Diebe hatten es hauptsächlich auf Lebensmittel, Fleisch, Brot und Kartoffeln sowie auf Kleidungsstücke abgesehen. Bei der Firma Girards und der Schneidmühle (Hammer) wurden die Treibriemen gestohlen. Ebenso kamen sehr viele Felddiebstähle vor. Für ein paar gewöhnliche Sonntagsschuhe, die zu Beginn des Krieges 15 Mark kosten, mussten jetzt 50 bis 60 Mark bezahlt werden. Den Kindern riet man daher in der warmen Jahreszeit, Strümpfe und Schuhe zu sparen und barfuß zu gehen. Daraufhin kamen die Kinder barfuß in die Schule. In Mechernich gingen sogar ein Großteil der Jugendlichen barfuß in die Kirche. 13)

April
Es wurden weiter einberufen:

Franz Schneider, 37 Jahre alt, wohnte in der Wirtschaft gegenüber der Einmündung des Holzheimer Weges in die Dorfstraße, Ackerer und Wirt; verheiratet, Vater von fünf Kindern im Alter von zwei bis neun Jahren, alte Mutter lebte noch, der einzige Berufslandwirt im Dorfe, von dem sehr viele Leute, die kein eigenes Gespann besaßen, abhängig waren. 13)

Juni
Josef Hermanns, Former, wohnte im ersten Haus rechts von der Straße aus auf den Hartweg zu, Eltern lebten beide, Vater war Bergmann;

Juli
Heinrich Vogelsberg, wohnte mit der Mutter und einigen Schwestern in dem letzten Haus (im Feld) in der Ackergasse, er war Former in der Gießerei; 13)

Wilhelm Hellings, ehemals Pfarrer in Holzheim, besuchte anlässlich seines vierzigjährigen Priesterjubiläums auch seine frühere Pfarrei. Bei dieser Gelegenheit stattete er auch dem erkrankten Fabrikanten Peter Girards in der Neuhütte einen Besuch ab. Die alten Erinnerungen wurden hierbei wieder aufgefrischt. Im Laufe der Unterhaltung griff Pastor Hellings auf seinen schon früher gemachten Plan zurück, Vussem und Breitenbenden von der Mutterpfarre Holzheim zu lösen und zu einer selbständigen Kapellengemeinde zu erheben. Nach einer längeren Verhandlung erreichte Pfarrer Hellings sein Ziel. Peter Girards erklärte sich bereit, der neuen Kapellengemeinde Vussem – Breitenbenden 40.000 Mark für die Unterhaltung eines Geistlichen zu schenken, sowie einen Fabrikraum zur Herrichtung einer Notkirche und eine Wohnung für den Geistlichen bereitzustellen. Groß waren die Freude, der Jubel und der Dank für diese hochherzige Schenkung, sowohl auf Seiten des Klerus, wie bei der ganzen Gemeinde. Pastor Gülden, Nachfolger des Pfarrer Hellings in Holzheim, erklärte sich mit der Abtretung der Ortschaften Vussem und Breitenbenden einverstanden. 14)


1918

6.Januar
Im Alter von sechzig Jahren verstarb der Fabrikant Peter Girards. Er war gebürtig aus Esch bei Jünkerath und in zweiter Ehe mit Magdalena Distelrath verheiratet. Nach einer Lehrzeit bei den Jünkerather Werken, den Gesellen- und Meisterjahren bei den I.G. Farbenfabriken Höchst, übernahm Peter Girards im Jahre 1883 die Eisengießerei Neuhütte von Karl Depiereux. Aufgrund seiner Erfahrung und seines Könnens brachte er das Werk sehr bald zu neuer Blüte. Im Jahre 1902 erweiterte er die Neuhütte um eine Maschinenfabrik. Zu den Produkten der Firma, in der Peter Girards nicht immer alleiniger Inhaber war, zählten Spezialitäten wie:
„Kessel, Schalen, Pfannen und Gefässe etc. für chemische Fabriken, Blei- und Zinkhütten, Retorten, Glühgefässe, Maschinenteile aller Art, sowie Bauguss, Säulen etc., Heizungs- und Feuerungsanlagen, Coquillen, Walzwerkbestandteile, Kuppeln, Spindeln, Stücke bis 40000 kg.“

Peter Girards war weiterhin noch als Kreistagsmitglied, Gemeindebürgermeister und Kirchenvorstandsmitglied tätig. Noch kurz vor seinem Tode ermöglichte er durch eine Geldspende von 40.000 Mark sowie die Bereitstellung einer Fabrikhalle als Notkirche die rektoratsmäßige Loslösung der Orte Vussem und Breitenbenden von der Pfarrei Holzheim. Seine Beerdigung erfolgte unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. In der Familiengruft auf dem Friedhof zu Holzheim fand er neben seinen bereits verstorbenen Kindern und seiner ersten Ehefrau Cäcilie, geborene Drehsen, die letzte Ruhe. 7) 15) 16)

Januar
Vom November 1917 bis Mitte Januar 1918 fiel der Unterricht in der Schule zu Vussem ganz aus. Lehrer Hubert Koch war zum Wehrdienst einberufen worden. Am 16. Januar 1918 nahm die Schulamtsbewerberin N. Deussen, einer Berufung durch die königliche Regierung folgend, den Unterricht wieder auf. 14)


9. Januar
Die in einem Modellschuppen (der Firma Girards) eingerichtete Notkirche wurde von Pfarrer Gülden aus Holzheim feierlich benediziert. Anschließend feierte die Gemeinde die erste Heilige Messe. Von nun an fanden an allen Sonn- und Feiertagen Gottesdienste statt. 14)

18. Januar
Die Schulkinder besuchten erstmals die Schulmesse in der neuen Kirche (Notkirche) zu Vussem.
Lehrer Hubert Koch nahm wieder den Schuldienst auf. 14)

Der Abfall der Kriegsverbündeteten, die ständige Zurücknahme der Front und die größer werdende Not in der Ernährung und Bekleidung führten zu einer sehr niedergedrückten Stimmung.
Der ständige Kanonendonner beängstigte die Gemüter noch mehr. Die Möglichkeit eines feindlichen Einfalles rückte näher, einzelne Familien beschäftigten sich bereits mit Fluchtgedanken. 13)

Während des Sommers sammelten die Kinder unter Leitung des Lehrers Baumlaub. In den Scheunen, im Saal der Wirtschaft Schneider, auf dem Speicher der Villa, in der Mühle und so weiter wurde das Laub getrocknet. Die Kinder erhielten für das Kilogramm trockenes Laub 0,36 Mark. Das Laubheu wurde später abtransportiert, gemahlen und zu Futterkuchen für Militärpferde verarbeitet. 13)

Das Wohnhaus der Eheleute Peter Kauert und Maria, geborene Pick, nahe der Schneidmühle, (anstelle des heutigen Wohnhauses von Josef Wagner), brannte ab. Die Familie Kauert verzog daraufhin nach Breitenbenden. 17)


26. Januar
Zum Nachfolger des verstorbenen Gemeindebürgermeisters Peter Girards wurde der Ackerer und Wirt Franz Schneider aus Vussem gewählt. Dem Rat der Gemeinde Vussem-Bergheim gehörten weiterhin Anton Fünfzig, Heinrich Briesgen, Johann Rutt, Adolf Hoffmann und Johann Josef Wielspütz an. 18)


27. Januar
Dem Feldgeistlichen der 56. Inf. Division, P. Josef Linden, wurde die Seelsorge des Rektorats Vussem-Breitenbenden übertragen. 14)

2. Februar
Als erstes Brautpaar traute der Rektor die Brautleute Peter Koch aus Bergheim und Elisabeth Nelles aus Vussem. 14)

Der Rektor taufte am Ostertag Peter Berners, Sohn der Eheleute Wilhelm Berners und Barbara, geborene Hilberath. 14)

Pfarrer Gülden erlaubte dem Rektor Linden bereits im ersten Jahr, die Feier der Ersten Heiligen Kommunion im Rektorat zu halten. Am Christi Himmelfahrtstag wurden einundzwanzig Kinder zur Ersten Kommunion geführt. 14)

Nach den Herbstferien begann das Sammeln der Bucheckern. Die Schulkinder sammelten an zehn Nachmittagen zwei Zentner Bucheckern. Sie erhielten für das Kilogramm 1,65 Mark. 13)

November
Die Revolution brach aus. In Vussem merkte man jedoch wenig davon. Einzelne Soldaten kehrten aus den Garnisonen ohne Waffen, ohne Kokarden und Achselklappen in meist neuen Kleidern Heim. 13)


10. November
Nach dem Hochamt wurde erzählt, der Kaiser habe abgedankt und der Kronprinz habe auf die Thronfolge verzichtet. 13)

12. November
Unter dem Vorsitz des Beigeordneten Becker fand in Mechernich eine öffentliche Versammlung zwecks Gründung eines Arbeiter- und Bürgerrates statt. Die Versammlung verlief ruhiger als erwartet. Auf dem Platz vor dem Bürgermeisteramt hatte eine Kolonne Kraftwagen aus der Etappe Platz genommen. Jeder Wagen trug eine rote Fahne. 13)

15. November
Auf einer Wiese unweit der Schule landete ein Flugzeug. Die Maschine fuhr in einen Graben und war nicht mehr hoch zu bringen. Die beiden Insassen, zwei Unteroffiziere, verschossen die Munition, verkauften das Flugbenzin an die Gießerei und setzten ihre Fahrt mit der Eisenbahn in Richtung Bonn fort. Der Gemeindevorsteher ließ die liegengelassene Maschine mit einem Ochsengespann bis zur Neuhütte ziehen. 13)

Nach Abschluss des Waffenstillstandes begann bald der Durchmarsch der Truppen, die aus der Etappe und von der Front heimkehrten. In den ersten Tagen waren es Bagagen, später auch Infanterie, Abteilungen in Begleitung von Musik. Mit dem Durchmarsch kamen auch die Einquartierungen, unter ihnen ein ostpreußisches Inf.-Rgt., das Res.-Inf-Rgt.73 und das schlesische Rgt. Nr.7. Das Res.-Inf.-Rgt.73 hatte hier einen Ruhetag. Das ganze Regiment, etwa 1.000 Mann, lag im Dorf. Oft setzten die durchziehenden Soldaten die Schulbuben auf die reiterlosen Pferde, und dann ritten die Jungen voller Stolz mit bis Breitenbenden. 13)

30. November
Breitenbenden hatte noch viel mehr Einquartierungen als Vussem. Das letzte durchziehende Regiment, das schlesische Rgt. Nr.7, lag zum größten Teil in Breitenbenden. Das Regiment war am 29. November von Weismes nach Harperscheid marschiert und dort einquartiert worden. Nach ein paar Stunden erhielt es Befehl, sofort weiterzumarschieren. Die armen Soldaten marschierten die ganze Nacht und kamen am Morgen hier an. Die Regimentskapelle kam zur Schneidmühle und Neuhütte, der Kommandeur quartierte sich mit mehreren Offizieren in die Villa Neuhütte ein. Die Straße Roggendorf – Euskirchen sollte schon mittags überschritten sein. Das Regiment war das nächste am Feind gewesen. 13)

Dezember
Von den durchziehenden Truppenteilen kauften mehrere Vussemer Pferde an: Girards 1,
Franz Schneider 2,
Wilhelm Berners 1,
Disternich, am Busch 1,
Wielspütz, Harterweg 1,
Wielspütz, Schmale 1,
Bertram , Kapelle 2,
Arns , Schneidmühle 1 13)


4. Dezember
Die Viehzählung ergab:
10 Pferde,
78 Stück Rindvieh, darunter 44 Milchkühe
und 14 Ochsen,
5 Schafe,
24 Schweine,
53 Ziegen,
23 Kaninchen und 18 Gänse; 13)

5. Dezember
Das Bürgermeisteramt teilte mit, der Telefonverkehr sei eingestellt; das Postamt unterstehe der englischen Besatzung. Leute, die von Mechernich kamen, erzählten von Engländern, die dort Quartier bezogen hatten. Es waren Kavalleristen, die Spitze der englischen Armee.
In den folgenden Tagen kamen häufig schwer beladene englische Lastautos, einzelne Reiter und Ordonnanzen auf Motor- und Fahrrädern von Eiserfey her durch das Dorf. Die Verordnungen des Führers der englischen Kavalleriebrigade wurden bekannt gegeben:
„Um 8:00 Uhr abends muß jeder zu Hause sein; von 22:00 Uhr ab darf in den Häusern kein Licht mehr brennen; die Mark hat einen Wert von 70 Centimes; die englischen Offiziere sind von der männlichen Bevölkerung durch Hutabnehmen zu grüßen; beim Spielen der englischen Nationalhymne haben die männlichen Personen die Kopfbedeckung abzunehmen; das Spielen der deutschen Nationalhymne ist verboten usw.“

Die meisten Männer kannten aber die Abzeichen der britischen Offiziere nicht. Das mag erklären, weshalb einzelnen Männern von den Soldaten der Hut vom Kopf geschlagen wurde. In Strempt nahmen die Männer, während die englische Nationalhymne gespielt wurde, die Kopfbedeckung nicht ab. Zur Strafe musste der Ortsvorsteher Jannes eine Stunde lang mit entblößtem Haupt stehenbleiben, während die Regimentskapelle spielte. 13)

Dezember
Kriegschronik des Franz Klinkhammer,
Obergefreiter = Fußartl. Batl. 65- 1. Battr.
Eisernes Kreuz 2. Klasse – Frontkämpfer-Ehrenkreuz

„Er wurde am 20. 3. 1896 geboren. Eingerückt am 14. 3. 1916 z. Ers. Batl. Infant. Regt. 25 und am 7.7. 1916 zur Fußartl. Batt. 481 versetzt, ins Feld gezogen a.d. Westfront, teilnehmend an folgendem Kpfe. im Argonnerwald, Stell. Kpf. in der Champagne – Schlacht b. Verdun. Infolge Umformierung im Oktober 1916 z. Fußart. Batl. 65 – 1 Battl. a. die Ostfront: Feldzug in Serbien und Mazedonien um die Armatushöhe zw. des Skrumbi u. Dudika bis März 1918; anschließend an der Westfront = Stell. Kpfe. b. St. Quentin und an der Aa = Große Schlacht in Frankreich a. der Somme – Avre – Matz – Oise b. Montdidier – Noyon- v. d. Siegfriedfront – v. d. Hermannstellg. -v. der Antwerpen – Maas- Stell. Am 3. Dezember 1918 aus dem Heer entlassen.“ 19)

Dezember
Viele Leute aus Vussem und Umgebung kamen zu Philipp Kauert, wohnhaft am Busch, um sich fotografieren zu lassen. Für die Personalausweise wurde fortan eine Fotografie benötigt. 13)


1919


1. März
Die Viehzählung ergab für Vussem:
9 Pferde,
74 Stück Rindvieh, darunter 14 Ochsen und 44 Milchkühe,
2 Schafe,
20 Schweine,
57 Ziegen,
11 Kaninchen,
3 Gänse,
224 Hühner. 13)


10. März
In der Neuhütte brach ein Streik aus. Die Arbeiter verlangten bei vollem Lohnausgleich eine kürzere Arbeitszeit. Von Seiten der Arbeiterschaft waren einige kaum ernst zunehmende Bemerkungen, „spartakistischer Art“, gefallen. Von der Firmenleitung wurden die in Mechernich stationierten Engländer angefordert, die das Werk sofort besetzten. Unterhalb der Schneidmühle postierten die Engländer sogar ein Maschinengewehr. Auf Vermittlung des Gemeindevorstehers Franz Schneider, der eine länger dauernde Besetzung vermeiden wollte, gab die Firmenleitung nach und ging auf die Forderung der Arbeiter ein. Johann Linden aus Vussem und ein Mann namens Schneider aus Weyer, die die erwähnten Bemerkungen gemacht haben sollten, transportierten die Engländer zu einem Verhör nach Mechernich. Die beiden Beklagten wurden hinterher freigesprochen.13)

26. April
Nach elfjähriger Tätigkeit an der Volksschule verließ der Lehrer Hubert Koch Vussem. Er erhielt eine Anstellung als Hauptlehrer an der dreiklassigen Schule in Birgel, Kreis Düren. 13)


1. Mai
Die Regierung übertrug die freie Lehrerstelle in Vussem dem Lehrer H. Demary. An diesem Tag war auch der erste Nationalfeiertag der deutschen Republik. Die Arbeiter aus Mechernich wollten die Kaiserbüste, die an der Kakushöhle stand, den Abgrund hinunterstürzen. 13)

September
An den drei Kirmestagen erlaubte die Firma Girards den Arbeitern zu feiern und bezahlte ihnen den vollen Lohn. Vier Arbeiter feierten auch am Mittwoch noch. Als sie am Donnerstag wieder arbeiten wollten, wurde ihnen dieses verwehrt.
Am folgenden Tag verlangte die Arbeiterschaft die Wiedereinstellung der vier Leute bei vollem Lohnausgleich. Als dieses verweigert wurde, legten alle die Arbeit nieder. Der Streik wurde am Samstag auf gütlichem Wege beigelegt und am Montag die Arbeit wieder aufgenommen. 13)


1. Oktober
Der Erzbischof von Köln, Dr. Felix von Hartmann, erklärte das Rektorat Vussem – Breitenbenden offiziell für selbständig.

„Urkunde

über die Errichtung der Kapellengemeinde Vussem- Breitenbenden, Pfarre Holzheim

1. In Vussem-Breitenbenden wird eine Kapellengemeinde mit selbständiger
Vermögensverwaltung errichtet.

2. Die Grenzen der neuen Gemeinde gegen die Muttergemeinde sind in der
beiliegenden Karte mit roter Farbe gekennzeichnet.

3. Die neue Kapellengemeinde zahlt an die Muttergemeinde jährlich den
Betrag von 500 Mark bzw. eine einmalige entsprechende Abfindungssumme.
Die Mitglieder der Kapellengemeinde sind hier-durch von allen Lasten und
Abgaben an die Muttergemeinde befreit.

4. Gegenwärtige Urkunde tritt am 1. Oktober 1919 in Kraft

Cöln, den 1. Oktober 1919

Der Erzbischof von Cöln A.A.: Dr. Vogt“ 20)

Oktober
Nachdem der Lehrer H. Demary Vussem verließ, übertrug die Regierung in Aachen dem Lehrer Anton Spix die freie Lehrerstelle. Der neue Lehrer ist ein Bruder von Matthias Spix, der von August 1903 bis September 1904 hier ebenfalls als Lehrer tätig war. 13)


22. November
Der Lehrer Anton Spix wurde bestohlen.
Im Kosthaus bei Siegmund Bertram, Schneidmühle, drangen Diebe mit Hilfe einer Leiter durch das Fenster in sein Schlafzimmer und stahlen ihm die besten Anzüge und eine goldene Uhrkette. 13)


23. November
Es fanden die Gemeinderatswahlen statt. In den Gemeinderat der Gemeinde Vussem – Bergheim wurden gewählt:
Adolf Hoffmann,
Johann Wielspütz,
Johann Josef Wielspütz,
Peter Vogelsberg, alle aus Vussem,
Johann Raetz,
Michel Kreuser, beide aus Bergheim.
Die Gemeinderatsmitglieder wählten Johann Josef Wielspütz zum Gemeindevorsteher. 18)


8. Dezember
Am Gründungstage des Müttervereines ließen sich achtundachtzig Mütter aus der Pfarrgemeinde in den Verein aufnehmen. Schon am 9. August hatte Kardinal Felix von Hartmann aus Köln die Bildung des Müttervereines genehmigt. 14)

1920


5. Januar
Plötzlich und unerwartet verstarb im Alter von 35 Jahren Gertrud Schneider, geborene Bayard, Ehefrau des Land- und Gastwirtes Franz Schneider. Die Verstorbene stammte aus Mechernich und hinterließ ihren Ehemann mit sieben Kindern im Alter von sechs Monaten bis 13 Jahren. 3)

29. Januar
Als letzter Kriegsteilnehmer kehrte Peter Velser aus französischer Gefangenschaft heim. Er wurde mit einem vierspännigen Leiterwagen in Mechernich abgeholt und von der ganzen Gemeinde am Dorfeingang festlich empfangen. Die Schulkinder sagten Gedichte auf. 13)

Februar
Da nun der letzte Soldat aus der Gefangenschaft heimgekehrt war, veranstaltete die Gemeinde am Fastnachtssonntag für alle Vussemer Kriegsteilnehmer ein Fest. Zunächst war am Morgen für die ehemaligen Soldaten ein Hochamt. Hierbei wurde in besonderer Weise der Gefallenen und Vermissten gedacht.
Es waren:

Benedikt Hein, gefallen,
Peter Linden, gefallen,
Wilhelm Disternich, gefallen,
Martin Wessel, vermißt.

Nach dem Hochamt war Frühschoppen in der Gastwirtschaft Franz Schneider. Die Kinder erhielten ein Weißbrötchen. Am Nachmittag um 16:00 Uhr ging ein Zug durch den Ort. Anschließend trafen sich die Ehemaligen zum gemeinsamen Kaffee in der Gastwirtschaft Schneider. Die Schulkinder und die Jugendlichen unterhielten mit lustigen Gedichten und Theaterstücken. 13)


30. März
Aufgrund der Zugehörigkeit von Vussem zu der Pfarrei Holzheim wurden auch die Toten im Pfarrort beerdigt. Da die Orte Vussem und Breitenbenden seit 1918 von der Mutterpfarre Holzheim losgelöst waren, bemühten sich die Einwohner von Vussem um einen eigenen Friedhof.
Johann Disternich schenkte der Gemeinde ein zur Anlage eines Friedhofs geeignetes Grundstück. Nachdem die erforderlichen Arbeiten ausgeführt waren, konnte im Jahr 1920 die erste Bestattung im Ort erfolgen. Als erster fand Peter Luxen, Ehemann von Katharina, geborene Wielspütz, seine letzte Ruhe auf dem Vussemer Friedhof. 2)

April
Am dritten Sonntag nach Ostern, am Schutzfest des hl. Joseph, wählten die Mitglieder des Rektorats Vussem-Breitenbenden den ersten Kirchenvorstand.
Es waren dies:
Johann Lückerath,
Carl Böhmer,
Peter Dederich aus Breitenbenden
und
Matthias Kuck,
Michael Nelles,
Wilhelm Bertram aus Vussem. 14)


15. September
Nach dem Tod des Müllers Karl Dillenburg und der Wiederverheiratung seiner Witwe, Maria Josefa, geborene Rutt, mit Franz Weiler aus Glehn, gelangte die Getreidemühle in den Besitz der Familie Weiler. Laut einer Zeitungsanzeige gaben die Gebrüder Weiler ihre Geschäftseröffnung wie folgt bekannt:
„Den Bewohnern des Veytales und der anliegenden Ortschaften zur gefl. Kenntnis, daß die Mühle Vussem mit dem 15. September in Betrieb ist und empfehlen uns in allen vorkommenden Müllereiarbeiten, wie Schroten, Feinmahlen usw. Die Haferquetsche (glatte Walzen) quetscht jedes Futterkorn und Hafer für Pferde. Die Schälmaschine verarbeitet Gerste zu Graupen in I a. Qualität und reinigt den schlimmsten Brandweizen. Wir bitten die geehrten Interessenten, die neuen Mahlkarten auf unseren Namen schreiben zu lassen, sowie die Anhängezettel nicht zu vergessen.“ 7)

10. November
Am Vorabend des Martinstages veranstalteten die Schulkinder einen Fackelzug zu Ehren des Heiligen Martinus. Die Kinder schnitzten die Fackeln größtenteils aus Runkelrüben. Um 17:30 Uhr versammelten sich die Kinder vor der Gastwirtschaft „Zur Schneidmühle“ und zogen unter Singen von Martinsliedern durch das Dorf zum Keilberg. Dort wurde ein Martinsfeuer abgebrannt, das weithin sichtbar war. Über den Martinsabend schrieben die Schüler der Mittel- und Oberstufe einen Aufsatz. 13)

Anmerkung Albert Velser: Die Erwähnung des Martinszuges wurde der Vussemer Schulchronik entnommen. Es handelt sich hier vermutlich um den ersten in Vussem durchgeführten Martinszug. Von einem Sankt Martin, der den Zug zu Pferde begleitete, sowie von der Verteilung von Martinswecken an die Kinder ist noch keine Rede.

Die Rheinische Bohrmaschinenfabrik & Cie. K G., Mechernich – Neuhütte, Inhaber Girards & Kneisel, Nachfolger der Firma Maschinenfabrik Peter Girards, nahm die Fertigung von Radialbohrmaschinen auf. 22)

In Vussem fanden sich Fußballbegeisterte zusammen und gründeten einen Fußballverein. Die Hauptinitiatoren waren Lehrer Anton Spix und Albert Hein, der in Köln erste Erfahrungen im Fußballspielen machte. Einer Fotographie aus dem Gründungsjahr zufolge bildeten

Franz Velser,
Fritz Dreesen,
Hubert Kuck,
Bernhard Klinkhammer,
Josef Hermanns,
Michel Golbach,
Wilhelm Winand,
Anton Golbach,
Albert Hein,
Josef Velser und
Matthias Theisgen die erste Mannschaft. 23)

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